Wie das Gefühl von Scham eine Sonnenallergie auslösen kann

Wir schreiben das Jahr 1968. Es ist Sommer, es ist heiss, die Sonne knallt vom wolkenlosen Himmel. Ein wunderbar schöner, warmer Tag!

Das denkt sich auch Marie, eine quirlige 13jährige Frohnatur. Gut gelaunt schnappt sie sich das etwas zu grosse Fahrrad ihrer Mutter, schwingt sich auf den Sattel und fährt voller Freude los. Quietsch vergnügt fährt Marie Runde um Runde. Was für ein herrliches Gefühl von Freiheit und Unbeschwertheit!

Dabei muss sie ganz schön aufpassen, mit dem grossen Fahrrad nicht hinzufallen, ist der Weg ringsum den Vorgarten um ihr Elternhaus mancherorts recht eng.

Und dann, schneidet Marie plötzlich diese eine fiese Kurve, streift mit dem Lenker die harte Hauskante, verliert das Gleichgewicht und fliegt zu Boden 😩

Peinlich berührt ab diesem blöden Missgeschick, steigt Marie sofort die Schamesröte ins Gesicht. Sie lässt das Fahrrad liegen und verkriecht sich ins Haus...

Seither leidet Marie unter einer Sonnenallergie: Anschwellende rote Haut, Juckreiz, schmerzhafte Pusteln und Marie hält sich seither mehr drinnen als draussen auf.

Heute ist Marie 65 Jahre alt. Seit diesem Erlebnis sind 52 Jahre vergangen. 52 lange Jahre mit grossen Einschränkungen und Entbehrungen und dem stetigen Gefühl, nicht frei leben, gefangen zu sein.

Im Sommer ein erfrischendes Bad im See, entspanntes Sonnenbaden, ein unbeschwerter Sommerfest-Besuch, eine sommerliche oder winterliche Wanderung, Après-Ski oder Mittagessen auf der Sonnenterrasse? Bisher undenkbar!

Marie sieht sich in einer mindTV-Sitzung ihren «Film des Lebens» an, sucht nach Antworten auf die Frage, wie es zu dieser Allergie gekommen ist, was denn bloss dazu geführt haben könnte?

Und tatsächlich, war es diese Schamesröte, dieses peinlich berührt sein, diese Hitze in den Wangen, dieser winzig kleine Moment, dieser eine Sturz vom Fahrrad, der die Allergie auslöste.

Du fragst dich jetzt, wie das sein kann? 🤔

Hhmmm, körperlich löste das Gefühl der Scham unmerklich dieselben körperphysiologischen Symptome aus wie Angst: Erhöhter Puls, schnellere Atmung, erhöhte Muskelanspannung. Dadurch wurde Maries Immunsystem sofort aktiviert, alarmiert. Und genau hier entstand das Missverständnis. Die Hitze des Schamgefühls wurde irrtümlicherweise als Gefahr interpretiert!

Tatsächlich wurde die SONNE für all das, für dieses ganze Unwohlsein, diese Scham, verantwortlich gemacht! Die SONNE als ultimativer Übeltäter!

Ab da galt es, diese böse Sonne rigoros zu bekämpfen und gleichzeitig Marie zu schützen! Und zwar mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln: Mit anschwellender roter Haut, mit Juckreiz, mit schmerzenden Pusteln.

Es wurde schlichtweg alles unternommen, um Marie irgendwie aus der Sonne zu bekommen, nicht einfach nur in den Schatten, nein am besten gleich irgendwo ins Innere eines Gebäudes. Verständlich, empfand Marie ihr eigenes Zuhause – gerade im Sommer – jahrzehntelang als persönliches Gefängnis 😔

Zum Glück lassen sich Missverständnisse auflösen. Auch solche zwischen unseren Gefühlen, unserem Körper und unserem Immunsystem. Und wie Maries Geschichte zeigt, braucht es manchmal ganz wenig, um viel zu bewirken und lang andauerndes Leiden aufzulösen.